Die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft (IPA) – Unterrichtsmaterialien - page 73

schon nach dem im Entwurf verankerten Grundsatz, daß sich das kleinere
Gebiet regelmäßig in das größere Gebiet einordnen muß.
(…)
In unserem Entwurf finden Sie erstmalig auch eine Notstandsklausel. Mei-
nes Erachtens sollte eine gesetzliche Grundlage für räumliche Notstände
gefunden werden, schon um sie klar gegen Finanzausgleichsmaßnahmen
abzuheben. Ich darf hier nur an den Küstenschutz oder etwa an den Alpen-
plan erinnern. Die Sicherung unseres Raumes als solchen kann ja nicht nur
die Aufgabe des unmittelbar betroffenen Teiles unseres Volkes sein. Kata-
strophen in diesem oder jenem Teil werden immer das Gesamte beeinflus-
sen. Darum hat auch die Gesamtheit die Pflicht zum Beistand.
Ein anderer Gesichtspunkt, der uns sehr am Herzen lag,
war die Pflicht zur
Erhaltung der natürlichen Hilfsquellen. Das ist ein moderner Begriff, der
heute immer weiter Eingang in unseren Sprachgebrauch findet. Ich erinnere
nur an die beiden Sonderbotschaften des verstorbenen Präsidenten Ken-
nedy an den amerikanischen Kongreß. Dieser Begriff umfaßt alles,
was wir
unter der Erhaltung der Natur, der Reinhaltung von Luft und Wasser, der
Schaffung von Erholungsgebieten usw. verstehen. Ich habe mich gefreut,
diese Formulierung nunmehr erstmalig auch in dem ersten Raumordnungs-
bericht der Bundesregierung zu finden.
Weiterhin hat in unserem Entwurf das Anliegen seinen Niederschlag ge-
funden, ein ausgewogenes Verhältnis von städtischer und ländlicher Sied-
lung herbeizuführen und die ländlichen Lebensbedingungen zu verbessern.
Damit komme ich zu dem vielleicht umstrittensten Punkt des Raumord-
nungsproblems überhaupt, der Behandlung der Ballungsräume oder,
wie
es der Regierungsentwurf nennt, der Verdichtungsräume. Der von uns als
Material für die Beratungen sehr begrüßte Entwurf eines Raumordnungs-
gesetzes des Deutschen Städtetages widmet sich diesem Problem mit
Recht und in besonderer Weise. Solche Verdichtungsräume können und
dürfen keinesfalls über einen Leisten gezogen werden. Sie sind vielmehr
sehr unterschiedlich zu beurteilen. Der Begriff Ballungsräume muß nämlich
nicht immer etwas Negatives bedeuten,
(Sehr gut! bei der SPD)
wenn auch gar zu oft dieser Eindruck entstanden ist. Natürlich darf man in
dieser Verbindung nicht übersehen, daß Raumordnung und Landesplanung
nicht allein durch Raumordnungsgesetze geregelt werden können. Es han-
delt sich hierbei um eine viel größere, viel komplettere Aufgabe, die die Mit-
wirkung der Verantwortlichen auf allen Gebieten erfordert.
Wir kennen die Sorgen der Kommunen, insbesondere die Sorgen der kleinen
Orte im Sog der Ballungsräume und die Sorgen der schwächeren Gemein-
den und Kreise in revierfernen Gebieten. Es ist durchaus verständlich, daß
unter den heutigen Umständen keine Gemeinde nur eine Stadt zum Schla-
fen sein will. Das bedeutet heute nämlich zwangsläufig einen Mangel an
den notwendigen Haushaltsmitteln.
4.7.III
Stellungnahme von Otto Schmidt zum Raumordnungsgesetz anlässlich der ersten Lesung der Vorlage im Bundestag, 04.12.1963
1...,63,64,65,66,67,68,69,70,71,72 74,75,76,77,78,79,80
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