Naturschutz hat Geschichte!

Seit fast zweihundert Jahren engagieren sich in Deutschland Personen, Gruppen, Verbände und Institutionen für den Schutz der Natur.

Der geschichtliche Bogen reicht von naturwissenschaftlichen Gesellschaften, die sich im 19. Jahrhundert auch Fragen des Schutzes der Natur zuwandten, über die Vereine und Verbände des Natur- und Heimatschutzes, die sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert überall in Deutschland gründeten, bis zu den Diskussionen der Gegenwart um internationale Netzwerke, Erhaltung der Biodiversität und nachhaltiges Nutzen.

Dabei war Naturschutz kein historisches Randphänomen. Naturschutz war eine zum Teil höchst erfolgreich agierende gesellschaftliche Gegen-Bewegung zur industriell geprägten Moderne. Dem ehrenamtlichen und beruflichen Engagement unzähliger Naturschützerinnen und Naturschützer ist es zu verdanken, dass heute eine ökologische Entwicklung der Industriegesellschaft ohne Naturschutz nicht mehr vorstellbar ist.

Die Stiftung Naturschutzgeschichte will die Geschichte der sozialen Bewegung Naturschutz lebendig und wirksam erhalten.

In der Vorburg von Schloss Drachenburg ist ein Ort der Erinnerung und Begegnung entstanden. Offen für alle, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Naturschutzes in Deutschland bewegt und bewegen.

Die Stiftung hat sich die Aufgabe gestellt, die Geschichte des Naturschutzes kritisch aufzuarbeiten und das gewonnene historische Wissen für die Probleme der heutigen Gesellschaft nutzbar zu machen.

Zu diesem Zweck betreibt die Stiftung Naturschutzgeschichte ein Archiv, ein Forum und ein Museum.

Aktuelles   Über uns  

Aktuelles

Die Stiftung Naturschutzgeschichte trauert um Prof. Dr. Hansjörg Küster

Hansjörg Küster

* 21. November 1956 † 26. Februar 2024

Vorstandsmitglied 2010–2022
Vorstandsvorsitzender 2012–2022

Hansjörg Küster vereinte in seinem reichhaltigen wissenschaftlichen Werk scheinbar Unvereinbares: die analytische Strenge des Naturwissenschaftlers und den Blick eines Kulturwissenschaftlers auf Natur und Landschaft. An der Universität Hannover brachte er beides im Masterstudiengang Landschaftswissenschaften zusammen.

Landschaften waren für ihn etwas Gewachsenes. Ohne ihre Geschichte konnte man Landschaften nicht verstehen. Ohne Quellen lässt sich aber Geschichte nicht schreiben. So war Hansjörg Küster eifrig darum bemüht, dass unser Archiv stetig wuchs. Sein diesbezüglich größter Erfolg bestand darin, dass der Nachlass des Nestors des Naturschutzes, Ernst Rudorff, seinen Weg in das Archiv in Königswinter fand.

Die Stiftung verdankt ihm darüber hinaus auch viele inhaltliche Impulse. So war es ihm besonders wichtig, dass unsere Projekte stets interdisziplinär ausgerichtet waren. Mit seinem umfassenden Wissen konnte er naturwissenschaftliche, sozialwissenschaftliche und auch geisteswissenschaftliche Aspekte in die Arbeit einbringen und über sein großes Netzwerk mit Leben erfüllen. Immer unter dem Leitziel, die Prozesse der Veränderung und der Entwicklung von Natur und Landschaft aus der Sicht menschlichen Handelns zu analysieren.

Eine schwere Krankheit zwang ihn, im Frühjahr 2022 den Vorstandsvorsitz niederzulegen. Trotzdem blieb er auch in den weiteren Jahren der Stiftung und ihrem Förderverein eng verbunden. Wir konnten weiterhin auf seinen Rat und seine schier unerschöpfliche Expertise zählen.

Wir verlieren mit Hansjörg Küster nicht nur einen engagierten Wissenschaftler, sondern auch einen ungemein inspirierenden und zugewandten Kollegen.

Die Stiftung Naturschutzgeschichte und ihr Förderverein gedenken seiner in tiefer Dankbarkeit.

Für das Kuratorium: Jörg-Andreas Krüger (Kuratoriumsvorsitzender)
Für den Vorstand: Prof. Dr. Hans-Peter Ziemek (Vorstandsvorsitzender) und Undine Kurth (stellvertretende Vorstandsvorsitzende)
Für die Geschäftsstelle: Dr. Hans-Werner Frohn und Dr. Jürgen Rosebrock
Für den Förderverein: Angelika Wurzel

Neu erschienen:
Rechte Aktivitäten im Naturschutz.

Dass Naturschutz aufgrund eines größeren Teils seiner Akteure, die ihn völkisch-rassistisch grundierten, eine schwere historische Bürde trägt, ist allseits bekannt.

Die nichtdemokratische Rechte in Deutschland hat sich in den letzten ca. zehn Jahren stark gewandelt. Vertraten die ‚alten‘ Rechten offenen Rassismus, so verfolgt die ‚neue Rechte‘ eine Ideologie des Ethnopluralismus. Sie propagieren die „Vielfalt der Völker und Kulturen“. Ein zentraler Slogan lautet: „Wir lieben das Fremde. In der Fremde!“. Letztlich dient diese Ideologie aber nur dazu, den Rassismus zu verbrämen.

Die neurechte Szene ist breit aufgestellt. Sie reicht von einem völkischen Rechtspopulismus über rechtsextreme Kreise wie die Partei „DER DRITTE WEG“ oder Identitäre bis in Teile der Reichsbürgerschaft.

Angesichts vermehrt feststellbarer Versuche neurechter Einflussnahmen auf den Naturschutz gab der NABU bei der Stiftung Naturschutzgeschichte und bei Prof. Dr. Wolfgang Schroeder (Universität Kassel, Wissenschaftszentrum Berlin) eine qualitativ-quantitative Studie in Auftrag. Um Daten zu Wahrnehmungen, Betroffenheiten, Umgangsformen sowie inhaltlichen Interventionsfeldern zu generieren, wurden Online-Fragebögen an alle 15 Landesverbände des NABU, dessen Partner, dem Landesbund für Vogelschutz Bayern, sowie 1.092 örtliche NABU-Gliederungen versandt. Die Befragung fand vom 19. März bis 15. Juli 2021 statt. Da sich alle NABU-Landesverbände an der Umfrage beteiligten, gelang hier eine Vollerhebung. Auf der lokalen Ebene betrug der Rücklauf 23,3%. Dabei zeigte sich, dass die Hälfte der Landesverbände, aber auch ca. 5% der örtlichen Gliederungen des NABU sich in den letzten fünf Jahren neurechter Einflussnahmen zu erwehren hatten.

Bei den konkreten Versuchen der Einflussnahme zeigt sich seit 2018, dass Neurechte bemüht sind, den Zielkonflikt zwischen Artenschutz und dem forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien zu vertiefen, indem sie sich Artenschutz*innen als Kooperationspartner andienen. Entgegen den Erwartungen müssen sie dabei nicht ethnopluralistisch argumentieren, sondern beziehen sich auf wissenschaftliche Studien etc. Für Naturschutzakteure sind sie also nur sehr schwierig als Neurechte zu identifizieren.

Die Studie zeigt, dass Neurechte gezielt in Richtung Naturschutz intervenieren. Neurechte reklamieren offen mit dem Slogan „Ökologie ist rechts!“ für sich die Deutungshoheit im Naturschutz. Die Studie ist online abrufbar unter https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/nabu/220718-nabu-broschuere-rechte-aktivitaten-im-naturschutz.pdf

Neu erschienen:
Jürgen Rosebrock: Umweltpolitik vor der Umweltpolitik. Die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft (IPA) 1952/53 bis 1970.

(Mensch – Natur – Kultur. Für die Stiftung Naturschutzgeschichte herausgegeben von Hans-Werner Frohn, Hansjörg Küster, Friedemann Schmoll und Hans-Peter Ziemek, Band 02).

München (oekom), 460 S., kartoniert, 44,00 €, ebook 34,99 €, ISBN 978-3-98726-040-7

Der Beginn der Umweltpolitik in der Bundesrepublik wird gemeinhin in die Zeit um 1970 herum datiert. Doch auch schon in den Jahrzehnten zuvor gab es in Westdeutschland Politikerinnen und Politiker, die sich dieser Thematik annahmen. Wohl eine der produktivsten und zugleich ungewöhnlichsten Akteurinnen war die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft (IPA). Der Zusammenschluss von Bundestags- und Landtagsabgeordneten trug in den 1950er- und 1960er-Jahren maßgeblich dazu bei, dass sich die Parlamente mit Fragen des Natur- und Umweltschutzes befassten. In der IPA suchten Abgeordnete über die Grenzen der Parlamente und Fraktionen hinweg nach einvernehmlichen Lösungen für die drängenden Probleme. Zumeist agierte man dabei hinter den Kulissen, die Öffentlichkeit erfuhr nur wenig über die IPA.

Die Studie analysiert die Funktions- und Vorgehensweise der Arbeitsgemeinschaft, und sie zeigt die umweltpolitischen Handlungsspielräume auf, die sich der IPA mit ihrem spezifischen Modell der Konsensfindung boten.

Aktuelles Projekt:
Reaktionsstrategien gegen rechtspopulistische Interventionen im Naturschutz

Mit dem Problemfeld Naturschutz und Rechtspopulismus / -extremismus beschäftigt sich seit 2020 die Umweltminister*innenkonferenz. Sie beschloss u. a., ein „Aktionsprogramm Naturschutz gegen Rechtsextremismus“ zu entwickeln. In diesem Kontext schrieb das Bundesamt für Naturschutz im Sommer 2022 ein Forschungs- und Entwicklungsvorhaben „Reaktionsstrategien gegen rechtspopulistische Interventionen im Naturschutz“ aus. Zusammen mit Prof. Dr. Wolfgang Schroeder (Universität Kassel, Wissenschaftszentrum Berlin) bewarb sich die Stiftung Naturschutzgeschichte und erhielt im September 2022 den Zuschlag.

Das Vorhaben setzt sich aus drei Modulen zusammen. In einem ersten Modul „Identifikation und Wirkungsanalyse rechtsradikaler Interventionen im deutschsprachigen Naturschutz im Zeitraum von 2018 bis heute“ werden fünf Fallstudien zu konkreten neurechten Versuchen der Einflussnahme auf den Naturschutz entstehen. In einem zweiten Modul „Quantitative Erfassung rechtsradikaler Interventionen in Deutschland“ werden bei drei großen Naturschutzverbänden Online-Befragungen stattfinden.

Im dritten Modul sollen Vorschläge zu konkreten Maßnahmen, Programmen und Aktivitäten etc. zur Umsetzung des Aktionsprogramms ‚Naturschutz gegen Rechtsextremismus‘ sowie Empfehlungen zu zukünftigen Reaktionsstrategien entwickelt werden.

Das Vorhaben des Bundesamtes für Naturschutz konnte im Mai 2023 um das Komplementärprojekt ergänzt werden. Es trägt den Titel „Hürden auf dem Weg zur sozial-ökologischen Transformation wegräumen – Rechtsextremismus als Herausforderung für den Naturschutz“ und wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert. Dieses Projekt besteht wiederum aus drei Modulen. In einem ersten werden Naturschutzverbände über einen Workshop frühzeitig in das erste Vorhaben eingebunden und deren Bedarfe nach Unterstützung eruiert. In einem zweiten Modul wird durch zehn Fallstudien die empirische Basis verbreitert. In einem dritten Modul werden Handreichungen zur Präventionsarbeit für die Verbände entwickelt. Die Bearbeitung des Projektes findet wiederum in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Wolfgang Schroeder (Universität Kassel, WZB) statt.

Historischer Ort

Die Stiftung Naturschutzgeschichte hat ihren Sitz am Drachenfels bei Königswinter sehr bewusst gewählt. Ihr Domizil auf dem Ensemble von Schloss Drachenburg liegt inmitten des faktisch ältesten Naturschutzgebiets Deutschlands. Bereits 1836 wurde der Drachenfels vom preußischen Staat vor der Zerstörung durch Steinbrüche gerettet.

Der Drachenfels und das Siebengebirge sind somit bedeutende Keimzellen für den deutschen Naturschutz. Viele Entwicklungen der Naturschutzgeschichte spiegeln sich hier wider: Von den ersten Schutzmaßnahmen des Staates, über die Formierung bürgerschaftlicher Schutzbemühungen und Proteste, die formalrechtliche Ausweisung zum Naturschutzgebiet, die Einrichtung eines Naturparks bis hin zu Versuchen, das Siebengebirge zum Nationalpark zu erheben.

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Förderverein

1989 gründete sich der Verein „Archiv und Museum zur Geschichte des Naturschutzes“. Unter seiner Federführung entstanden erste konzeptionelle Überlegungen zur Gründung der Stiftung Archiv, Forum und Museum zur Geschichte des Naturschutzes in Deutschland.

Nach der Gründung der Stiftung am 5. Dezember 1996 verlagerte der Verein sein Aufgabenfeld. Er unterstützt seither die Arbeit der Stiftung Naturschutzgeschichte, wirbt für sie in der Öffentlichkeit und hilft mit, Vor- und Nachlässe ehren- und hauptamtlicher Naturschützerinnen und Naturschützer einzuwerben.

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